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8. Wintermarathon Leipzig am 21.01.2017

Nie wieder Marathon!?

Nie wieder Marathon! Das kam von Helge nach dem Teammarathon im Berliner Plänterwald im Jahr 2004. Dort herrschten gruselige Bedingungen mit tiefen Schlammpassagen und Dauerregen. Wir sind damals eine 4:10 h gelaufen, aus heutiger Sicht nicht so schlecht. Gehalten hat sich Helge an seinen Spruch nicht. Aber im Januar will er nicht mehr. Da ist es ihm zu kalt, und regelmäßig verabschiedet er sich zu diesem Termin in den Winterurlaub. Dabei ist der Weg aus der Südvorstadt zum Clara-Zetkin-Park wesentlich kürzer als der von Lützschena an die Neue Linie. Insider wissen was ich meine.

Nie wieder Marathon! Dies war auch eine eindringliche Empfehlung – man könnte auch sagen ein Befehl – einer Oberärztin des Leipziger Herzzentrums an mich vor gut einem Jahr. Es war ja auch nicht ganz grundlos und eigentlich noch schärfer formuliert: Kein Ausdauersport mehr, für immer! So weit so schlecht, doch auch ich habe mich nicht bzw. nur eine gewisse Zeit daran gehalten. Im Gegensatz zu Helge will ich aber im Januar. Ja kalt ist es, aber auch schön. Auf der Sachsenbrücke hatten Scherzkekse u.a. einen Heizkörper aus Eis geformt. Man konnte sich aussuchen, ob es einem an der Stelle kalt oder warm wurde.

Da am Ende eines jeden Jahres bei der LVB immer wieder dieselbe Frage gestellt wird, wer den Wintermarathon mitläuft, wusste ich, dass ich mich da nützlich machen könnte. Uwe hatte im Vorfeld schon resigniert und sich beim Team „Leipzigumrunder“ angemeldet, weil die Aussicht auf Mitstreiter aus dem eigenen Verein gegen Null tendierte. Als ich nach zwei Testläufen jenseits der 30 km und in der Euphorie des erfolgreich absolvierten Soljankalaufs am 30.12. mein ok für einen Start beim Wintermarathon gab, musste Uwe zwar kurzfristig sein Team umbuchen, aber ein Start als „Stammgäste“ im reinen LVB-Team war dann doch die bessere Variante. Und mit Andreas gibt es ja im Verein den Mann für alle Fälle, der beim Thema Marathon nicht nein sagen kann. Nach nun 23 Team- (in Berlin) bzw. Wintermarathons (in Leipzig) ist es für ihn mittlerweile eine Pflichtveranstaltung geworden. So ganz nebenbei erfuhren wir am Start von ihm, dass er außerdem noch ein kleines Jubiläum hätte, den insgesamt 125. Marathon. Allein diese Kilometer dürfte mancher Normalbürger nicht in seinem ganzen Leben schaffen, wenn er alle Wege mitrechnet, die er zurücklegt.

Nie wieder Marathon!? Ich war hochmotiviert. Mein Auto war es nicht und wollte mein Vorhaben doch noch verhindern. 9:30 Uhr will ich zu Hause losfahren, und mein Auto stottert nur. Batterie leer. Hektik, Nachdenken, Straßenbahn? Keine Chance, die fährt nur halbstündlich und ich müsste am Hauptbahnhof noch umsteigen. Ich würde es bis 11 Uhr nicht zum Start schaffen. Dann kommt mein Garagennachbar. Er rettet mich. Holt das Starthilfekabel raus, wir müssen meinen fast Halbtonner noch die leichte Steigung überwindend aus der Garage schieben. Wenn das keine Erwärmungsübung ist. Der Motor springt mit Starthilfe an, es kann losgehen. Ich habe noch eine knappe Stunde Zeit bis zum Start, alles wieder im grünen Bereich. Andreas und Uwe erwarten mich schon, außerdem steht Ines am Start als „inoffizielle“ Teilnehmerin. Sie wurde wohl auch beim Soljankalauf – ihrer bis dahin längsten jemals gelaufenen Strecke mit 33 km – mit dem Ultravirus infiziert. Also heute ein erster Test auf den 42,2 km. Um es vorweg zu nehmen, sie hat ihn mit Bravour bestanden, uns Bummelanten bei 30 km hinter sich gelassen und dann im Ziel empfangen. Das ist eine Verpflichtung fürs nächste Jahr!!

Und was soll man sagen? Der Wintermarathon war fast eine Kopie des Soljankalaufs, ein traumhafter Wintertag nach strengem nächtlichen Frost, Sonne satt, kein Wind und eine bestens präparierte Strecke auf hart gefrorenem Boden, die Kurven gut gestreut. Das Läuferfeld wurde pünktlich um 11 Uhr auf die Strecke geschickt. Es schien schon jetzt etwas übersichtlicher als in den letzten Jahren. Der Eindruck täuschte nicht. Es waren deutlich weniger Teilnehmer und von den Boom-Jahren mit fast 100 teilnehmenden Teams weit entfernt. Das haben die Veranstaltung und der Veranstalter mit seinem großen Engagement nicht verdient. Unserer Stimmung tat das allerdings keinen Abbruch. Unser Startspruch lautete: „Jetzt genießen wir jeden Kilometer, zumindest solange es geht.“ Ohne konkrete Zeitvorgabe pendelten wir uns bei knapp unter 6 min pro km ein. Das war das absolute Wohlfühltempo und ließ Hoffnung, es lange durchzuhalten. Im Schatten war es etwas frisch, aber auf dem sonnenüberfluteten Damm gegenüber der Rennbahn wurde es richtig warm. Bevor wir auf diesen Abschnitt einbogen, heizte uns Wolfgang mit heißen Rhythmen aus seinem Musikzelt ein. Einmal ertönte „Hotel California“, auf der nächsten Runde kamen Jazzklänge mit Saxophonbegleitung aus dem Zelt. Tolle Mugge und ein Marathon der anderen Art – über 5 Stunden Livemusik bei grimmiger Kälte! Überhaupt war die Unterstützung durch unsere Vereinsmitglieder in unterschiedlicher Form von mitlaufend über fotografierend bis anfeuernd großartig. Da darf man als Läufer einfach keine Schwäche zeigen.

Unterwegs wurde noch eine wichtige Frage geklärt. Wer schreibt den Bericht? Andreas meinte, nachdem er letztes Jahr 8 Laufberichte verfasst hatte, dass ich mal wieder dran wäre. Auf meinen Gegenvorschlag, den Bericht nur dann zu schreiben, wenn ich heil ins Ziel käme, ansonsten es wieder ihm zu überlassen, bekam ich nicht wirklich eine Antwort. Ich hatte nun über 30 km Zeit, mir zu überlegen, ob ich vorzeitig abbreche oder den Bericht schreibe. Das Ergebnis sieht man nun hier.

Mit 59 min bei 10 km und 2:05 h bei Halbmarathon lagen wir bestens im Rennen, auch wenn zu diesem Zeitpunkt die Spitzenteams schon überrundend an uns vorbeigehetzt waren. Die Lücken nach vorn und hinten wurden größer, einige Aufgaben gab es auch schon. Dadurch wurde das Läuferfeld noch mehr ausgedünnt. Wir hatten im Gegensatz dazu noch einen Läufer hinzugewonnen. Michael Kr. verstärkte uns schon ab der dritten Runde, sodass wir jetzt zu fünft unterwegs waren. Sollte die Laufgruppe es doch irgendwann schaffen, zwei Teams an den Start zu bringen? Ein Traum, den schon Wolfgang Buchwald in den 90er Jahren hatte. Wenn sich unser Winterurlauber nächstes Jahr einen Ruck gibt, sollte es möglich sein!

Durch die kurzen Stopps nach jeder 5km-Runde an der Verpflegungsstation und die nun doch schwerer werdenden Beine büßten wir etwas Zeit ein und konnten den 6min-Schnitt nicht ganz halten. Das Gebummele auf der siebenten Runde war dann für Ines und Micha Anlass, sich allmählich von uns abzusetzen. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt Probleme, einen runden Laufstil beizubehalten. Aber Marathon ist immer wieder auch eine Wundertüte. Auf der achten Runde etwa bei km 36 passierte genau das Gegenteil von dem was ich erwartete. Kein Einbruch, nein es gab plötzlich einen Schub. Ohne Zuhilfenahme von Gels oder anderen Wundermitteln konnte ich wieder das Anfangstempo aufnehmen, und wir behielten Ines und Micha im Auge. Uwe und Andreas waren wohl etwas verwundert, nahmen es aber kommentarlos und erleichtert hin.

Nach 4:02 h bei km 40 stand nun noch die Frage, ob wir unter 4:15 h bleiben könnten, aber das war aussichtslos. Noch kurz einen warmen Tee genommen, wieder angelaufen machte mein rechter Oberschenkel zu, wie es so schön bei den Fußballern heißt, und ich hoffte jeden Schritt, dass er noch bis ins Ziel halten würde. Er tat mir den Gefallen, auch wenn es etwas schmerzhaft war. Mit 4:15:52 h als Endzeit waren alle Beteiligten glücklich und zufrieden. Mehr war heute nicht drin. Im Ziel bekam jeder das, wofür man früher hart kämpfen musste, weil es nur die ersten drei jeder Wertung bekamen: den Eiskristall. Im Grunde hat es aber auch wirklich jeder verdient, schließlich müssen alle hart kämpfen, die 4- und 5h-Läufer wahrscheinlich sogar mehr als die austrainierten unter-3h-Läufer. Zusätzlich gab es wie immer die Finisher-Torte, die wir unserer Marathonnovizin Ines überließen. Nie wieder Marathon? Das steht für sie nicht zur Diskussion. Das müsste dann eher heißen: Nie wieder Marathon außerhalb der Wertung. Da ist noch viel Luft nach oben! Respekt für diese Leistung.

Nach dem Duschen kam dann die nächste Härte. Auf den erfolgreich bestandenen Marathon und anläßlich Ines‘ zurückliegenden Geburtstags und Andreas‘ Marathonjubiläum wurde mit Sekt angestoßen. Dazu noch ein Bier. Das Ganze auf nüchternen Magen, Jungs das darf sich jetzt nicht einbürgern. Die LG eXa als Veranstalter hat trotz wie schon erwähnt wiederum großartiger Organisation eventuell nicht so toll gefeiert. Im Fußball ruft die Champions League, und beim Wintermarathon kommen nur 46 Teams ins Ziel. Vor zwei Jahren waren es noch 62 Teams und früher auch mal über 80. Vor allen Dingen: Wo sind die jungen Leute? Die Sportstadt Leipzig sollte sich nicht auf Fußball reduzieren. Ein Dank gebührt den eXa-nern auch für die Spendenaktion zugunsten des Wiederaufbaus unseres abgebrannten Vereinsheims. Da dürfte Einiges zusammengekommen sein.

Mein Heimweg führte mich zum Baumarkt, um eine neue Autobatterie zu kaufen. Nach dem Fernsehabend habe ich sie noch eingebaut, und noch 12 Stunden später waren auch meine Speicher wieder halbwegs geladen. Was will man mehr? Die anderen beiden Strategen haben sich ja beim Marathon etwas geschont und konnten ihre Speicher am Sonntag in der Loipe bzw. am Markkleeberger See tiefentladen.

Nie wieder Marathon? Auf ein Neues im nächsten Jahr. Und Ski heil Helge!

Dieter Ullrich

22.01.2017

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