Rennsteiglauf 2014, meine 32. Teilnahme über den langen Kanten und trotzdem eine Premiere: Ich bin die ganze Strecke noch nie mit jemanden von Anfang bis Ende zusammen gelaufen. Und obwohl ich dieses Mal keinen Fotoapparat dabei habe, muss ich angesichts dieses Laufes mit einem so phantastischen Ergebnis unbedingt auch ohne Bilder etwas zu Papier bringen.
Rennsteiglauf Supermarathon 2014
Nach der kurzfristigen Absage von Uwe hatte Ute spontan ihren gebuchten Laufbegleitservice von der Kategorie „normal“ in „Rundum-sorglos“ umgebucht, der mit solchen Schwerpunkten wie Haustürservice, ausrollen der Isomatte und reichen von Tee, Schleim und Cola untersetzt war. Ebenfalls im Leistungspaket enthalten war eine mentale Betreuung, die aber von Ute nicht in Anspruch genommen werden brauchte, da sie sowieso schon vor und während der gesamten 72,7 km bis in die Haarspitzen motiviert war. Und es ist nicht zu glauben, so wie Ute beim Darßmarathon mit einer entladenen Uhr am Start steht, geht es mir heute. Obwohl ich sie zu Hause aufgeladen habe, ist der Akku leer. Aber da das Ute auf dem Darß nur Glück gebracht hat, sehen wir das auch als gutes Omen und gehen ohne Uhr an den Start. Die noch zwei Wochen vor dem Lauf ausgewiesene Wetterprognose mit 29 °C war zum Glück hinfällig geworden, sodass wir nach einer überwiegend von Schnarchern verschonten Nacht in einem Klassenzimmer des Elisabeth-Gymnasiums und einem wie immer perfekt organisierten Frühstück mit einem der letzten Busse zum Start auf dem Eisenacher Marktplatz fahren. Es ist bewölkt und doch recht kühl, sodass wir uns für langärmlige Laufshirts und dreiviertel Hose entschieden haben. Punkt um sechs geht es los, der Heli kreist über uns und begleitet die Läuferschlange die ersten Kilometer. Es läuft sich von Anfang an gut und wir kommen schnell in unseren Rhythmus. Bei ungefähr km 20 machen wir an einem der ersten etwas steileren Anstiege der Ausläufer des Inselsberges die erste Geheinheit. Am 25 km Schild auf dem Inselsberg kommen Erinnerungen an vor zwei Jahren auf, wo Ute, Peter und ich uns hier haben fotografieren lassen.
Die Passage über die Verpflegungsstellen Ebertswiese und Neuhöfer Wiese verläuft ebenso kontinuierlich und unproblematisch wie bisher. Jetzt stellt sich auch das in der Prognose für Oberhof angekündigte Wetter ein. Die Sonne kommt ab und an hervor, aber es bleibt bei ungefähr 10 Grad überwiegend bewölkt. Also rundum spitzenmäßige Bedingungen für den Rennsteiglauf. Die erste offizielle Zeitanzeige ist an der Verpflegungsstelle Gustav-Freytag-Stein, 11.50 Uhr steht da auf der großen Uhr. Von hier bis zum Grenzadler ist es nicht mehr weit, sodass wir diesen neuralgischen Punkt des Laufes nach 6:10 h Laufzeit erreichen. Und da nach ungefähr 55 km eine Hochrechnung der Endzeit durchaus erlaubt ist, kommt jetzt schon etwas euphorische Hochstimmung auf. Vorausgesetzt, dass man keinen Einruch erleidet, wonach es bei uns in keiner Weise aussieht, braucht man erfahrungsgemäß bis zum Ziel in Schmiedefeld noch um die zwei Stunden. Das heißt, die neun Stunden von Ute von vor zwei Jahren sind überhaupt kein Thema. Im Gegenteil, hier ist eine Endzeit von unter 8½ Stunden absolut im realistischen Bereich. Wir lassen uns angesichts dieser Superprognose nicht beirren und laufen unseren Rhythmus weiter. Leichte Anstiege laufen wir und die steileren werden zum Spritsparen gegangen. Meinen Job als Begleitservice verstehe ich nach wie vor so, dass ich immer einen halben Schritt hinter Ute bin. Als Hase bin ich nicht engagiert und den braucht Ute auch überhaupt nicht. Mein Blick hin und wieder zu ihr hinüber lässt überhaupt keinen Zweifel aufkommen, dass sie das Ding bis zum Ende konzentriert durchzieht. Das sieht alles so locker aus, dass es richtig Spaß macht, ihr beim Laufen zuzusehen. Es sind keinerlei Anzeichen von Müdigkeit erkennbar, einzig unser Schritt ist gegenüber dem Anfang vielleicht etwas kürzer, aber das sollte zu diesem Zeitpunkt auch erlaubt sein. Wie gut sie drauf ist zeigt sich auch bei ungefähr km 60, wo ich mir mal erlaube etwas deutlich hörbar zu prusten. Da kommt von Ute sofort die besorgte Frage an ihren Begleitservice: „Alles gut?“ Wir passieren den unspektakulären Großen Beerberg, von dem es dann fast nur noch bergab bis zur Schmücke geht. Wie auch am Grenzadler genehmige ich mir einen Becher Bier, Ute nimmt hier nichts. Da ich davon überzeugt bin, dass wir uns mit unserer Laufzeit in einem Bereich befinden, wo für Ute ein Platz auf den Treppchen als realistisch anzusehen ist, beginne ich jetzt mal immer schon Ausschau nach Läuferinnen zu halten, die man hinter sich haben sollte. Ohne dass natürlich Ute zu sagen. Eine dafür in Frage kommende Frau ist mal vor und hinter uns. Dann ist sie aber nicht mehr zu sehen, was damit geklärt wäre.
Da wir wirklich keine Ahnung über unsere aktuelle Laufzeit haben, sind wir dann kurz vor dem Ziel schon etwas gespannt, was die Anzeige beim Zieleinlauf präsentiert. Und wir können es kaum fassen, es ist eine 8:21, was auf jeden Fall unter 8:20 netto ist. Zwei Jahre nach ihrem ersten langen Kanten verbessert sich Ute um satte 40 min.
Während Ute die Altersklassenwertung zu Null auf dem Schirm hat, kommt für mich beim Abholen der Urkunden die Beantwortung dieser spannenden Frage. Und während sich Ute beim Blick auf ihre Urkunde darüber freut, dass sie sich gegenüber einer Zählung am Anfang des Laufes von Platz 90 auf 67 verbessert hat und bei der Zeit eine 8:19 h steht, muss ich ihr erst zeigen, was da bei der Altersklasse W55 für eine sensationelle Zahl steht: 1. Platz. Sie ist völlig perplex und kann es überhaupt nicht fassen, was ihr da gerade gelungen ist. Bei der Königsdisziplin des Rennsteiglaufes über die Ultradistanz von 72.7 km in der Altersklasse ganz oben auf dem Treppchen zu stehen – das ist ganz einfach sensationell. Ich weiß nicht, ob das aus der LVB-Laufgruppe schon mal jemand geschafft hat. Michael Koch fällt mir da als erstes ein, der könnte vielleicht schon mal da oben gestanden haben. Bei der Siegehrung ist zum Glück Dietmar Knies da, der einen Fotoapparat dabei hat und diesen Supererfolg von Ute im Bild fest halten kann.