Fahrrad fahren hat wohl zur Zeit Konjunktur in unserer Laufgruppe. Wir wollten es zwar unseren Helden der Mecklenburger Seen Runde nicht unbedingt gleich tun, aber ein bisschen Ansporn war da schon. Die Idee, die Tagrunde der 7 Seen-Wanderung mal mit dem Fahrrad abzufahren, hatten Simone Cotta und Ute Höhler schon seit einer ganzen Weile gehabt. Und Hajo als mehrmaligem Teilnehmer der Wanderung und profunden Kenner des Streckenverlaufs als Scout zu gewinnen, war damit auch nur folgerichtig. Am 21. 2015 Juni war es dann soweit, dass das Wetter mitspielte und es auch terminlich klappte. Ich hatte auch Wind von der Sache bekommen und mit dabei war auch Sabine, die 2014 mit Simone und Ute den Jacobsweg von Görlitz nach Leipzig gewandert war und sich ganz spontan zur Teilnahme entschlossen hatte. Treffpunkt ist bei Simone, um zehn ist Start. Um die Tour machen zu können, muss man natürlich erstmal nach Thierbach, wo dort am Sportplatz der Startpunkt zur Tagrunde ist. Wir nehmen die kürzeste Strecke immer den Radweg an der Pleiße entlang, passieren Rötha und sind so gegen halb zwölf in Espenhain, wo schon die erste Kneipe zur Einkehr einlädt. Aber da wir ja bisher kaum etwas gemacht und noch nicht mal unseren Startpunkt erreicht haben, beugen wir uns den bestehenden moralischen Skrupeln und fahren weiter. Diese Entscheidung sollte sich als gar nicht so gut heraus stellen. Der Start vollzieht sich dann ganz unspektakulär und schon rollen wir in Richtung Eula, passieren Kesselshain und steuern den Aussichtspunkt am Bockwitzer See an, der im Gegensatz zu den anderen Gewässern des Neuseenlandes von 1993 bis 2005 nur durch ansteigendes Grundwasser geflutet wurde. See sowie gesamter Uferbereich sind FFH-Gebiet (Fauna-Flora-Habitat) und Baden ist somit verboten, ist von Simone zu erfahren. Aber das ist beim diesem überwiegend stark bewölktem Wetter heute ja sowieso nicht angeraten. Es geht den schönen Radweg am Westufer des Sees entlang, der in Teilabschnitten neu asphaltiert und gut zu fahren ist. Kurz bevor Schöna erreicht wird, liegt rechter Hand die Windmühle. Wir nutzen den hier befindlichen Kontrollpunkt K2 der Tour zu einer ersten kleinen Rast unmittelbar am Fußpunkt der Windmühle. Bei dieser Gelegenheit gibt’s für jeden einen kräftigen Schluck aus Hajos Flachmann. Aber nicht nur der ist im „Hauptsache-Hautschutz-Rucksack“.
Wir werden sogleich in aller Ausführlichkeit darüber aufgeklärt, was man alles so zum Überleben braucht und daher am Mann haben sollte. Das ist also neben dem Flachmann eine gut zu hörende Trillerpfeife und natürlich ein Skatkarte. Der unmittelbare Nutzen eines Voltmeters erschließt sich für mich nicht so richtig. Der einer Taschenlampe, die das Licht ganz ohne Batterie nur durch kurbeln erzeugt, dann schon eher. Salz und Pfeffer ist sicherlich auch sehr nützlich und ein Radio kann man auch gelten lassen. Na ja, es stellt sich somit für uns in diesem Zusammenhang zumindest die Frage, wieso wir bisher überlebt haben. Aber nicht nur Hajo hat Überraschungen im Rucksack, sondern auch Simone. Sie zaubert etwas wirklich tolles heraus, nämlich eine Flasche Sekt. Deren Inhalt wird gleichmäßig auf die Becher aller Expeditionsteilnehmer verteilt und dann lassen wir es uns schmecken. Das etwas lange dauernde Einrichten meines Smartphones bis es dann so steht, dass das schmale Ding nicht umkippt und ein Foto mit Selbstauslöser macht, zahlt sich doch aus. Es wird ein ganz passables Bild. Die Tour ist bisher wirklich gut ausgeschildert. Wenn alle ordentlich aufpassen und sich nicht nur auf den vorn fahrenden verlassen, dann kann man sich eigentlich gar nicht verfahren. Ab jetzt ist der Richtung Süden verlaufende Teil der Strecke vorbei und es geht am anderen Ufer des Sees in Richtung Nord.
Ich hatte ja heute insgeheim damit gerechnet, dass wir in jedem Dorf, das wir passieren, einen Stopp im jeweiligen Kneipchen machen und ich dann vielleicht so mit 4 bis 5 halben Litern intus die heutige Tour beende. Aber mit einer diesbezüglichen Glückseligkeit sieht es ganz schlecht aus. Im nächsten, bei km 20 an der Strecke liegenden Ort Beucha ist die erste Fehlanzeige. Dass dann, wenn schon nicht in Beucha, auch in Kleinbeucha nichts zu erwarten ist, war schon irgendwie klar. Aber auch in Steinbach, wo am gleichnamigen Schloss sonst an der K4 die Verpflegungsstelle ist, wird unsere Hoffnung nicht erfüllt. Auch eine kleinere, vielleicht auf das Vorhandensein einer Kneipe hin deutende Ansammlung von Autos, ist leider Fehlanzeige. Na ja, wir sind tapfer. Obwohl sich auch der Hunger langsam einstellt, muss man ja nicht gleich panisch werden. So ist das eben, wenn man sich vorher nicht informiert und mit falschen Vorstellungen auf Tour geht. Hinter Steinbach war dann wohl, wenn ich mich recht erinnere, auch der Streckenabschnitt, auf dem ich 2005 bei meiner ersten und letzten großen Tour im Gehen eingeschlafen und vom Weg ins Feld abgedriftet bin. Volker Pflüger hatte mich damals wieder zurück auf die Strecke geholt. Die nächste Ortschaft ist Trages bei Tour-km 29. Und dort, das weiß Simone ganz genau, ist gar nichts kneipenähnliches vorhanden. So eine klare Ansage ist aber immer noch besser, als wenn erst wieder falsche Hoffnungen entstehen. Ganz sicher gibt’s aber 3 km weiter in Mölbis eine Kneipe. Große Erleichterung dann am Ortseingang von Mölbis, hier ist heute Dorffest und damit sollte mit großer Sicherheit etwas ess- und trinkbares zu bekommen sein, falls das Kneipchen doch geschlossen hat. Und es hat geschlossen. Auch wenn es schon nach um drei ist, ist noch ein Rest Erbsensuppe in der Gulaschkanone, sodass es für jeden zu einer ordentlichen Portion reicht. Dazu ein Bier – herrlich. Und dann macht auch noch ein freundlicher Dorffestbesucher ein Foto von Hajo und seinen Jüngern.
Da sowieso gerade Kaffeezeit und ein verlockendes Kuchen- und Tortenangebot vorhanden ist, schlagen wir da auch gleich noch zu. Wohl gestärkt geht es nun auf die letzten 18 km unserer Tour. Über Großpötzschau erreichen wir Dreiskau-Muckern, wo ich mich auch an eine opulente Verpflegung während der 7 Seen-Wanderung 2005 in der hiesigen Orangerie erinnern kann. Allerdings auch ganz lebhaft an das damalige leiden nach über 20 Stunden auf den Beinen. Nun sind wir auch schon am Störmthaler See, an dessen Ufer es auf dem super Radweg weiter geht. Ja und dann sind wir schon fast am Ziel und werden zum Schluss doch noch richtig inkonsequent. Hajos Garten lockt. Wir lassen das Ziel in Markkleeberg Ziel sein und driften über den kürzesten Weg in die Gartenanlage ab. Nur Simone kann nicht mehr mit, sie muss sich zu Hause um ihren Hund kümmern. Der Rest kommt aber noch in den Genuss eines schönen Tagesausklangs. Nach einer Führung durch den in mustergültiger Ordnung befindlichen Garten – meine Vermutung, dass Hajo Ingenieur ist, bestätigt sich – gibt’s ein wohl temperiertes Bierchen aus dem Kühlkeller. Da Hajo natürlich auch eine kleine Werkstatt hat, fällt auch das Ölen von Sabines Fahrradkette gleich mit ab. Und zum Schluss bekommen wir auf dem garteneigenen Golfplatz noch eine kleine Einführung in die Technik des Abschlags. Hajo wird dann doch etwas unruhig, als Sabine gleich beim ersten Mal mit einem Schlag einlocht.
Nach dem uns den ganzen Tag eine dichte Wolkendecke vor einem Sonnenbrand bewahrt hat, lässt sich Klärchen jetzt sogar noch blicken und beschert uns einen schönen Tagesabschluss. Als ich dann wieder zurück bin, stehen 111 km auf meinem Fahrradtacho. Also knapp etwas mehr als ich vor zwei Wochen zu Fuß unterwegs gewesen bin, so hatte ich mir das auch vorgestellt.
Andreas Gelhaar