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Mecklenburger Seen Runde 2017

Radfahren in MV wow wow

Ein 300 km Höllenritt

Manche Dinge wiederholen sich im Leben, andere nicht und noch andere werden sich nie wiederholen. Wie vor zwei Jahren strömte auch diesmal wieder eine Dortmunder Autokarawane Richtung Berlin zum Pokalfinale und behinderte mich auf meiner Fahrt nach Neubrandenburg zur Mecklenburger Seen Runde. Nicht wiederholt hat sich dann, dass Dortmund das Finale verloren hat. Wie tief man fallen kann: Der Finalgegner und Pokalsieger hieß damals VfL Wolfsburg. Das war 2015. Die hatten diesmal ein anderes Endspiel.

Ich kam dann doch zeitig und bei schönstem Wetter im Kulturpark direkt am Tollensesee an, um meine Startunterlagen abzuholen. Zufällig und ohne Absprache waren auch Wolfgang und Lukas fünf Minuten vor mir hier eingetroffen. Sah ansonsten alles genauso aus wie vor zwei Jahren. Es war 16 Uhr und noch vier Stunden Zeit, bis die ersten Helden auf die 300-km-Strecke geschickt werden sollten. Während Wolfgang und Lukas in ihr Quartier bei Mirow zurückfuhren, hatte ich den Plan, direkt im Start-Zielbereich im Auto zu übernachten. Ich vertrieb mir die Zeit mit einer kleinen Rad-Runde durch die Stadt. Eigentlich wollte ich am Tollensesee entlang fahren, aber der wunderschöne Weg ist nicht Rennrad tauglich. Zurück im Veranstaltungsgelände wurde gerade die Organisatorin der Vätternrunde interviewt und machte ein tolles Angebot. Sie offerierte 100 Startplätze für die in zwei Wochen stattfindende Vätternrunde, die ansonsten wie jedes Jahr schon lange vorher ausgebucht war. Ich hätte es mir ja überlegt, dort auch teilzunehmen, aber die weite Anreise wollte ich mir nicht zumuten. Und zweimal 300 km Rad innerhalb von zwei Wochen wäre vielleicht auch keine gute Idee gewesen.

Danach dann das Highlight: Olaf Ludwig betrat die Bühne und wurde vom Moderator befragt. Wer es nicht mehr weiß: Das ist der Olympiasieger von 1988 im Straßeneinzel und später dreifacher Etappensieger bei der Tour de France. Jetzt veranstaltet er Radreisen nach Bulgarien. Ich konnte es mir nicht verkneifen, ihn um ein gemeinsames Bild zu bitten. In seiner bodenständigen Art kam er meinem Wunsch sofort nach.

Eine bedeutende Radsportlegende und ein eher unbedeutender Hobbyradler

Ab 20 Uhr wohnte ich den Starts der Nightrider bei. Um diese Zeit sind wir vor zwei Jahren auch auf die Strecke gegangen. Hier starteten überwiegend Tourenradler und Individualisten mit teilweise abenteuerlichen Fahrrädern. Mit einem davon hatte ich vor seinem Start gesprochen. Er machte zum ersten Mal eine 300 km Tour, war die Strecke letztes Jahr im Oktober in zwei Tagen abgefahren. Sein Rad ein schweres Stahlross mit Gepäckträger. Vorn dran eine Lenkertasche, am Rahmen eine 1-Liter-Flasche, eine weitere auf dem Gepäckträger. Und das, obwohl es alle 40 – 50 km ein Verpflegungsdepot gibt. Streng genommen sind diese Starter die wahren Helden und nicht die durchtrainierten Sportler, die in 30-er Gruppen mit Tempo 40 um die Mecklenburger Seen rasen. Etwa 500 Radler gingen bis 22 Uhr ins Rennen, danach war im Startbereich bis 4:30 Uhr Nachtruhe und für mich auch.

Nullstart um 20 Uhr, links der Erste auf der Strecke

Ich verbrachte eine ruhige Nacht in Nachbarschaft anderer MSR-Starter in ihren Wohnmobilen. Mein Vorbereitungsstand war gefühlt wie bei meinen vorherigen vier  Radmarathons. Ich war etwa 1000 km seit März gefahren, meistens mit dem Mountainbike, weil meine Standardstrecke durch ehemaliges Tagebaugelände führt. Nur eine Strecke über mehr als 100 km war dabei, eigentlich bissl wenig. Dafür sollte es mein erster Radmarathon ohne Nachtfahrt werden, und die Wetterprognose konnte besser nicht sein. 16 Stunden Sonne waren angesagt, und das Wetter hielt sich an die Vorhersage.

Team Ullrich am Start kurz vor 5 Uhr

Um 4:15 Uhr wurde ich vom Sprecher am Start geweckt, denn da begannen jetzt die Startvorbereitungen für die erste Gruppe des Tages, die um 4:30 Uhr auf die Strecke ging. Ein Kaffee und ein Croissant mussten mir für die ersten 40 km bis Feldberg reichen. Am Start traf ich mit den anderen vom Team Ullrich zusammen: Wolfgang und Lukas sowie Thomas mit Tochter Jette. Als der Start der 5-Uhr-Gruppe, zu der wir gehörten, vollzogen wurde, sahen wir vorn etwa 50 Starter losradeln, aber unmittelbar vor uns standen 50 Mann, die sich nicht von der  Stelle rührten. Mist wir waren in der 5:10 Uhr Startgruppe gelandet. In Trump-Manier drängelten wir uns vorbei und fanden schnell Anschluss an unsere Gruppe, die die ersten Kilometer durch die Stadt aus Sicherheitsgründen von einem vorausfahrenden Polizeifahrzeug etwas ausgebremst wurde.

Um 5 Uhr war von den angekündigten 28°C noch nichts zu spüren. Auf den Wiesen lag noch der Bodennebel, und die Temperatur lag bei 10°C. Wir waren erstmal langärmlig bekleidet. Trotzdem war es in den schattigen Senken empfindlich kühl. Zwar ging es nach 3 km schon mal richtig zur Sache an der – nomen est omen – Bergstraße. Das brachte aber nur meinen Puls in Wallung, warm wurde davon niemandem. Im geschlossenen Feld begann eine ziemlich zügige Fahrt, um es mal so zu nennen. Allein wäre ich bei diesem Tempo nach 30 km aus dem Sattel gefallen, so aber brauchte man einfach nur im Windschatten mitzurollen und konnte Kraft für das sparen, was uns noch erwarten sollte. Die Landschaft auf diesem ersten Abschnitt war wie auf der ganzen Strecke traumhaft. Der Eindruck wurde noch dadurch gesteigert, dass wir teilweise in die tiefstehende Sonne hineinfuhren und von den Seen und Wiesen die Nebel aufstiegen. Trotz des Tempos und der Gruppenfahrt riskierte ich Blicke nach rechts und links. Das muss man wirklich mal erlebt haben.

Das erste Depot in Feldberg bei km 41 war schnell erreicht. Wir genehmigten uns ein erstes Frühstück. Wie hatte Olaf Ludwig am Vorabend gesagt? 300 km Radfahren bedeutet vor allem essen, essen und trinken, trinken. Und der Unterschied zwischen Profi und Freizeitsportler ist der, dass der Freizeitsportler selbst bestimmt, wann es Spaß macht, aber bei 300 km wird es nicht immer nur Spaß machen. Wie wahr!! Weiter ging die Hatz. Es dauerte nicht lange, bis eine 30-er Gruppe an uns vorbei rauschte. Also kurz antreten und im Windschatten mitrollen. Beim Blick auf meinen Fahrradcomputer wurde mir mitunter schwindlig. Da wurden Geschwindigkeiten angezeigt, die ich sonst nur vom Hörensagen kenne. Wenn man immer allein trainiert, kann man solches Windschattenfahren mal richtig genießen. Das Depot in Neustrelitz bei km 73 war unser nächstes Zwischenziel. Mittlerweile stand die Sonne höher, und der prognostizierte Traumtag kündigte sich an. In Neustrelitz selbst war Konzentration gefordert, denn einige Pflasterpassagen rüttelten uns und die Räder kräftig durch. Vor zwei Jahren war ich am Depot um Mitternacht vorbeigefahren, diesmal war es nicht zu übersehen.

Umstellung auf kurzärmlig in Neustrelitz, ca. 7:45 Uhr

Die Pause hier zog sich ziemlich in die Länge. Ich hatte wirklich immer den Spruch von Olaf Ludwig mit dem Essen im Hinterkopf. Eine schnelle Gruppe fand sich bald wieder zusammen. Diesmal war es das straff durchorganisierte Team „funaktiv“. Das hatte ich so auch noch nicht erlebt. Da machte einer Ansagen wie: „Nicht so viel Abstand lassen!“ … Das nahm schon militärische Formen an. Für uns als Trittbrettfahrer war es aber super. Die Truppe störte es auch nicht, dass noch 20 andere in ihrem Windschatten mitfuhren. Ist ja auch nicht verboten. Die MSR ist kein Wettkampf, und es gibt keine Ergebnisliste mit Platzierungen. Die Zeiten werden zwar elektronisch erfasst, die Reihung erfolgt aber alphabetisch. Bei 2000 Teilnehmern daraus eine wirkliche Ergebnisliste zu basteln wäre möglich aber sinnlos und zeitaufwändig.

Auf gut asphaltierten schmalen Nebenstraßen ging es vorbei an kleinen Seen und durch dichte Wälder Richtung Mirow und weiter in Sichtweite der Müritz nach Röbel. Das Tempo war immer noch atemberaubend schnell – zumindest für mich. Wenn man 30 km/h fährt und der kleine Pfeil auf dem Tacho nach unten zeigt, weiß der Fachmann, dass hier nicht gebummelt wurde. D.h. man fährt unter der Durchschnittsgeschwindigkeit. Das habe ich noch NIE erlebt. Das ist allerdings auch der große Unterschied zur Nachtfahrt. Man findet nachts keine großen schnellen Gruppen. Man ist weitestgehend auf sich allein gestellt. Insofern sind Zeiten im Radsport sehr mit Vorsicht zu genießen und wie schon eingangs erwähnt die Nachtfahrer die wahren Helden. Ein anderer wesentlicher Faktor beim Radfahren spielte heute keine Rolle: der Wind. Es herrschten wirklich perfekte Bedingungen. Manchmal muss man zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Dann ergibt sich alles andere von selbst.

Das Depot in Röbel bei 125 km war im Vergleich zu 2015 leider verlegt worden. Damals befand es sich direkt an der Müritz, diesmal weiter oben direkt an der Strecke. Hatte den Vorteil, dass ein paar Höhenmeter weniger anfielen. Das Team „funaktiv“ bekam vom Chef 10 Minuten Zeit für die Verpflegung. Mehr wollten wir uns auch nicht gönnen, sondern lieber wieder mit dem D-Zug mitrollen. Röbel ist ja so etwas wie die Hauptverpflegungsstelle, hier gab es warmes Essen, Fettbemmchen mit Gewürzgurken, Kuchen, Bananen, Riegel und und und … Zuerst glich ich aber meinen Flüssigkeitsverlust aus. Die Wasserkanister kannten nur einen Zustand: leer. Die Radler soffen hier wie die Kamele. Das war auch bitter nötig, die Sonne war inzwischen zu Höchstform aufgestiegen. Beim Essen war ich auch nicht wählerisch, griff mir Fettbemmchen und Gurken, dann gleich 3 Stück Schokokuchen zusammen in den Mund. Hauptsache Energie. Genießen konnte man hinterher. Aus dem Augwinkel immer wieder ein Blick zu unseren „aktiven Funsportlern“, damit sie nicht ohne uns losfahren. Es waren dann doch etwas mehr als 10 Minuten Pause, aber deren Chef drängelte schon.

Man sollte sich am Depot gut merken, wo man sein Rad abgestellt hat

Dann ging es zügig aus Röbel heraus leicht ansteigend. Ich kam auf die verwegene Idee, zu schalten. Jette neben mir fragte noch: „Alles ok?“ Meine Antwort bekam sie nicht mehr mit. Die Kette war runter vom Kettenblatt. Ich musste absteigen, Kette auflegen, hatte ölverschmierte Hände und sah die Funaktiven inklusive Team Ullrich am Horizont. 50 km bis zum nächsten Depot. Alleinfahrt. Mist. Versprengte Einzelkämpfer konnten mir auch nicht wirklich helfen. Die waren zu schnell oder zu langsam. Also jetzt mal ruhig bleiben und beim Blick auf den Tacho nicht erschrecken. Der zeigte nämlich jetzt wieder normale Zahlen an. Dann ein Hoffnungsschimmer: das Schild 150 km. Die Hälfte der Strecke in 5,5 Stunden. Ich konnte mir eigentlich unendlich viel Zeit lassen, lag weit über den Erwartungen. Aber so viel Spaß sollte dann doch nicht sein.

Nachdem ich mich etwa 20 km im pelotonmäßigen Niemandsland bewegt hatte, schoss plötzlich ein Team von der Deutschen Post mit knalligen gelben Trikots an mir vorbei. Ich schaffte es gerade noch, mich hinten einzuklinken. Und das Tempo war machbar. Die Deutsche Post, dein Freund und Helfer. Sie haben mich wirklich ein bisschen gerettet. Ein herrlicher Abschnitt am Petersdorfer See auf sehr schmaler, kurviger Straße mit immer wieder entgegenkommenden Autos folgte. Nochmal volle Konzentration. Die Autofahrer waren kooperativ und blieben am Rand stehen. Ich war der Letzte in der 30 Fahrer starken Gruppe. In Lenz dann fast Tour-de-France-Stimmung. Über ein schmales Brückchen wird ein Kanal gequert, die Zuschauer stehen Spalier. Ich quäle mich den kurzen Anstieg im kleinsten Gang hinauf und erwische wieder das Ende des Post-Express‘. Wir kommen an einem Strandbad bei Malchow vorbei. Jetzt in die Fluten wäre schön… Aber das nächste Depot wäre auch nicht schlecht. Habe jetzt auch wieder ein Auge für die landschaftlichen Schönheiten. Dies ist hier eine Gegend wie man sie in Deutschland kaum noch findet: Wald, Seen und ganz selten mal ein paar Häuser. Inmitten dieser Idylle liegt Nossentiner Hütte, wo bei km 172 die Freiwillige Feuerwehr mit großer Hingabe das Depot Nr. 4 betreute. In dem Dorf war eine Stimmung wie wohl nur einmal im Jahr. Jeder wurde angefeuert und das nicht nur von der Feuerwehr. Ich erfuhr von Wolfgang und Lukas, die schon eine Weile hier waren, dass die Funaktiven den „Befehl bekommen hatten“, das Depot auszulassen. Ein Blick in die Ergebnisliste (Suche nach funaktiv) sagte mir, dass sie am Ende 10,5 Stunden brutto unterwegs waren. Das war dann nicht mehr mein Level. Auch hier griff ich wieder zum Kuchen, und zur Cola, und zu den Fettbemmchen… Außerdem versuchte ich es mit Isogetränk, was ich beim Laufen gar nicht vertrage. Hier ging alles gut. Im Übrigen: Wenn es nicht mehr gegangen wäre, hätte ich wie einige andere auch den Bus nehmen können. Hier verkehrt alle 1,5 Stunden ein Bus, der Radler, die kräftemäßig am Ende sind, nach Neubrandenburg zurück befördert. Dieses Jahr gab es bei über 2000 Startern nur 30 Aufgaben. Das ist eine sehr gute Quote. Die Busse hätte man durch Taxis ersetzen können.

Depot Nossentiner Hütte, km 172

Die folgende Etappe war eine Kopie der vorherigen. Die Kette ist mir nicht runtergefallen, aber ich konnte irgendwann dem Pulk nicht mehr folgen. Bin diesmal aber nicht der Einzige. Auch Jette nimmt ein bisschen Tempo heraus. Man muss sich vorstellen, dass man bei 200 km immer noch eine Durchschnittsgeschwindigkeit von mehr als 30 km/h hat (ohne Pausen). Das geht dann allmählich an die Substanz. Und die Sonne brennt jetzt unbarmherzig vom Himmel. Ich hab heute schon einige Liter getrunken. Ich muss an die MSR 2015 denken. Da war ich an dieser Stelle gegen 6 Uhr morgens, es regnete, heftiger Wind blies, am Depot in Alt-Schönau waren Feuerkörbe aufgestellt, an denen sich bemitleidenswerte Gestalten versuchten, aufzuwärmen. Diesmal Kontrastprogramm. In ein aufblasbares Wasserbecken hängten die Radsportler ihre qualmenden Füße, andere suchten ein schattiges Plätzchen. Ich kam mit Jette und ein paar anderen am Depot bei km 216 an und traf hier auch wieder Wolfgang, Lukas und Jettes Vater Thomas. Unsere gute Stimmung war ungebrochen. Wir hatten bis hierher eine für unsere Verhältnisse Wahnsinnstour gefahren. Der Gedanke „nur noch 85 km“ war aber gefährlich. Das waren noch 3 Stunden mit gegen Ende hin einigen giftigen Anstiegen und immer noch steigenden Temperaturen.

Hier konnte man die Füße kühlen, km 216 in Alt-Schönau

Meine Befürchtungen bewahrheiteten sich leider teilweise. Wir waren diesmal in kleiner Gruppe gut unterwegs. Der Tacho zeigte 235 km. Ich fuhr die leicht ansteigende Bundesstraße gerade vorn, als wieder ein Express vorbeizog. Zu spät sah ich, dass Wolfgang und Lukas noch herangesprungen waren. Auch Thomas schaffte es noch. Ich hatte keine Chance nochmal zu beschleunigen. Jette war auch fort, wohl eher hinter mir. Es folgten die schwersten Kilometer der ganzen Tour. Mutterseelenallein, ziemlich kaputt und noch 25 km bis zum nächsten Depot vor der Brust, war ich am Boden. Die Strecke war ziemlich profiliert. Nur Radfahrer können verstehen, warum das hier Mecklenburgische Schweiz heißt. Dann kommen innere Stimmen, die einem einflüstern, dass das nächste Depot bei 250 km ist. Tatsächlich ist es erst bei 261 km. Das ziiiieeeht sich. Es ließ sich aber auch kein einziger Radfahrer mehr blicken. Wo waren die alle?

Keine wirkliche Hilfe, wenn man fix und fertig ist

Nach quälenden 25 km erreichte ich Möllenhagen. Ich fand Wolfgang am Boden liegend die Unterschenkel auf einen Stuhl hochgelegt. Was war passiert? Elektrolytmangel, Wadenkrampf! Während er sich um einen Massagetermin bemühte, betätigte ich mich wieder als Kamel. Dazu Schokolade, Cola, Fettbemmchen… Wahnsinn, was ein Magen an einem Tag alles fasst. So schlimm dies hier alles klingt, wir hatten noch unglaublich viel Zeit, um unser mittlerweile selbstgestecktes Ziel zu erreichen: 12 Stunden brutto. Und was beim Laufen undenkbar ist, passierte hier beim Radfahren. Wenn man beim Marathon bei km 35 platt ist, kann man essen und trinken, was man will. Man kommt nicht wieder auf die Beine. Hier fuhren wir nach 20 Minuten wieder mit einer Gruppe unser 30-er Tempo. Es rollte richtig gut. Schlecht war allerdings die Straße wie schon an einigen Stellen vorher. Eigentlich war die Straße gut asphaltiert, aber unvermittelt tauchten immer wieder tiefe Löcher auf, die man beim Gruppenfahren natürlich zu spät sieht. Ich habe zum Glück keine schweren Stürze gesehen, soll aber welche gegeben haben. Bei der Vätternrunde hätte man vorher einen Bautrupp durchgeschickt.

Bis zum letzten Depot in Penzlin war es ein Katzensprung. Wir hatten schon vorher beschlossen, dieses Depot auszulassen. Die letzten 16 km mussten einfach so kommen. Wieder half uns eine große Gruppe. Die war international besetzt mit Dänen und Schweden. Ein Franzose war auch dabei. Großartig. Alle radelten in einem Pulk. Warum begreifen Politiker nicht, dass es das ist, was das Volk will? Auf dieser Bühne gewinnen im Moment nur die Separatisten. Trump sollte mal an der MSR teilnehmen. Da müsste er sich aber durch Leistung und nicht mit Remplern gegen andere durchsetzen. Zurück zur MSR: Die letzten 15 km hatten es durchaus nochmal in sich. Es war ein ständiges Auf und Ab. Die 300 km MSR ist mit 2100 Höhenmetern angegeben. Zum Vergleich: Die Vätternrunde hat 1100 Hm. Und das merkt man. Ein absolutes Stimmungsnest wurde noch passiert. Kurz vor Neubrandenburg gibt es ein Radsport verrücktes Dorf namens Chemnitz. Das ganze Dorf befand sich im Ausnahmezustand. Super. Ich war nun mitten im Dänenpulk und raste mit ihnen Richtung Ziel. Die Schussfahrt nach Neubrandenburg war nochmal ein richtiger Genuss. Was folgte war der Tour nicht ganz angemessen. Kopfsteinpflaster durch eine Siedlung, dann geschotterte Parkwege und schließlich die Bogenbrücke kurz vorm Ziel. Wir kommen mit Schwung an, um diese Hürde zu nehmen, da blockieren doch tatsächlich Fußgänger komplett die ganze Brücke. Es fallen unhöfliche Worte wie „Das ist ein öffentlicher Weg“ usw. Mehrere Radler müssen 400 m vorm Ziel tatsächlich absteigen und die Räder über die Brücke schieben. Unglaublich. Beim Kinderrennen am Abend zuvor war die Brücke für Fußgänger gesperrt. Mit Thomas rolle ich gemeinsam über die Ziellinie. Ein tolles Gefühl. Jette folgt unmittelbar nach uns, Lukas und Wolfgang, der nochmals von Krämpfen geplagt wurde, kurze Zeit später. Was für ein Ergebnis! Wir sind weit unter 12 Stunden geblieben. Damit komme ich zurück zum Anfang. Dies wird sich für mich nie wiederholen.

Die Bogenbrücke 400 m vorm Ziel in Neubrandenburg

Statistik:

Streckenlänge – 300 km

Höhendifferenz – 2100 m

Teilnehmer auf der 300 km Strecke – über 2000

Aufgaben – ca. 30

Bruttofahrzeit – 11:45 h

Nettofahrzeit – 10:05 h

Durchschnittsgeschwindigkeit – 29,5 km/h

Max. Geschwindigkeit – 61 km/h, nur fliegen ist schöner

Nicht zum Nachahmen empfohlen: 600 km am Stück (aus dem Nordkurier)

Was für eine Leistung! Raimund Fiedler ist am Freitagabend um 20.20 Uhr gestartet und war Samstagmorgen um 7.02 Uhr im Ziel im Kulturpark. Statt die Beine hochzulegen, drehte der Mann einfach noch eine 300-Kilometer-Schleife, die er beim ersten Mal größtenteils nur im Dunkeln kennen gelernt hatte. Jetzt erlebte er noch eine Tagesfahrt und war um etwa 21.30 Uhr am Samstagabend im Ziel. Hut ab!

Strecke mit Höhenprofil: https://www.mecklenburger-seen-runde.de/strecke-300-km/

MSR-Homepage: http://www.mecklenburger-seen-runde.de/home/

 

Bericht: Dieter Ullrich

31.05.2017

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