Strahlender Sonnenschein und milde Temperaturen schon am frühen Morgen – beste Bedingungen für das LVZ-Fahrradfest 2016. Dass die Rennradbesitzer der LVB-Laufgruppe die 110 km Strecke fahren wollen, das ist schon bei Zeiten angekündigt worden.
Mich als seit einiger Zeit auch Rennradbesitzer hatte man natürlich auch gefragt. Da das Ereignis allerdings am Tag nach dem Rennsteiglauf über die Bühne geht, bin ich angesichts der Tatsache, dass der Start nicht einmal 24 Stunden nach dem Zieleinlauf in Schmiedefeld stattfindet, zunächst etwas zurückhaltend mit einer Zusage. Check am Morgen: Klar, die Beine sind schon etwas schwer, die Befindlichkeit ist aber gut, sodass nichts gegen einen Start spricht. Ja und das traumhafte Radfahrwetter, da kann man eigentlich auch gar nicht anders. Ich fahre rechtzeitig zum Völkerschlachtdenkmal. Das Finisher-T-Shirt von gestern wird beim Melden sogleich erkannt. Das Mädel war gestern auch auf dem Höhenweg des Thüringer Waldes unterwegs. Mit dem Doppelstart gestern und heute auf der langen Distanz kann ich da schon etwas punkten. Viertel zehn ist für die Rennradgruppe Treff an der Aral-Tankstelle.
Es sind alle da: Ines und Hendrik, Heike und Michael, Elke und Helge. Es wird gleich erst mal ein Foto gemacht, bevor wir hinüber zum Start rollen. Dort geht es sehr gemächlich zu, nix mit Hektik oder so. Sicher ganz im Sinne des Veranstalters, es soll eine schöne Ausfahrt werden. Wir rollen uns gut ein, es ist ein schönes fahren. Die Straßen sind am Anfang abgesperrt und an Kreuzungspunkten steht Polizei, die uns die Vorfahrt organisiert. Die Strecke geht über Störmthal, Oelzschau und Rohrbach in Richtung Grimma.
Es rollt gut bei uns. Hendrik fährt über längere Distanzen auch bei Gegenwind mühelos einen dreißiger Schnitt. Wenn man immer den Windschatten gut erwischt, dann kann man bei dieser Gschwindigkeit sogar auch ab und an die Beine hoch nehmen. Aber wehe, man ist raus. Dann heißt es kräftig in die Pedale treten, um wieder heran zu kommen. Ich hatte es mir heute eh zur Bedingung gemacht, überwiegend im Windschatten schlauchen zu dürfen. Man weiß ja nicht, wie lange die Kraft reicht. Die Sonne meint es gut mit uns. Bloß gut , das wir auf dem Rad sitzen und den kühlenden Fahrtwind haben. Wir passieren Otterwisch, Großbuch sowie Grethen und sind nach 1,5 h und 38 km an der ersten Verpflegungsstelle in Grimma.
Hier gibt’s zum Auftanken Wasser, Bananen, Äpfel und Baguette. Wir lassen uns Zeit und starten erst nach ausgiebiger Pause zur Weiterfahrt. Ab jetzt wird es anspruchsvoller. Wir sind im sog. „Grimmaer Mulde-Hügelland“ und da sind nun einige Anstiege zu bewältigen. Das geht schon mitten in Grimma los und setzt sich dann fort. Die angekündigten insgesamt 388 Höhenmeter müssen ja auch irgendwann gefahren werden. Ich hätte es mal zählen sollen, wie oft Helge den zur Aufmunterung gedachten Spruch „Aber ab jetzt geht es nur noch runter“ gebracht hat. Der nach dem Start noch recht kompakte Fahrerpulk hat sich schon lange stark zersplittert. Es sind überwiegend kleine Grüppchen unterwegs. Ich nenne ja noch nicht lange ein Rennrad mein Eigen und habe daher auch noch nicht so viel Praxis mit den „gut gepolsterten“ Rennradsätteln. Ab und zu muss ich daher jetzt doch den Hintern mal hochnehmen, um diesen kurzzeitig Erholung zu gönnen. Aber da ich das bei anderen auch sehe, scheint es nicht nur mein Problem zu sein. Ich halte mich nach wie vor häufig im Windschatten auf und so rollt es auch weiterhin gut.
Wir passieren solche bekannten Ortschaften wie Neunitz, Kaditzsch, Schkortitz und Leipnitz. Riesige Obstplantagen kündigen dann an, dass wir uns dem Sächsischen Obstanbaugebiet Dürrweitzschen nähern. Bis Trebsen, wo es zum zweiten Mal über die Mulde geht und die nächste Verpflegungsstelle ist, ist es es aber noch ein ganzes Stück. Die Streckenführung ist gut ausgeschildert. Bei aufmerksamer Fahrweise kann man sich eigentlich nicht verfahren. Einezlnen widerfährt das aber doch. Als wir in Trebsen vom Rad steigen und der Fahrtwind nicht mehr präsent ist, merken wir hammerhart, wie heute der Planet brennt. Es gibt hier kaum Schatten und die Luft hat Backofencharakter. Naja, fast. Das Verpflegungsangebot ist recht übersichtlich: Bananen, Äfpel und Wasser. Ein pfiffiger Eisverkäufer hätte heute hier bestimmt den Schnitt seines Lebens gemacht. Ein Weißbieranbieter aber mit Sicherheit auch. Da unsere Räder mal alle aneinander gelehnt abgestellt sind, ist das auch mal ein Foto wert.
Preisfrage: Wieviel tausend Euro stehen hier? Weitere Frage: Nehmen wir uns noch etwas Verpflegung mit? Bis ins Ziel sind es noch ungefähr 35 km und auf der Hälfte ist in Naunhof noch mal eine Verpflegungsstelle, also ist das nicht notwendig. Es geht weiter. Da ich als regenerative Maßnahme für den gestrigen Laufwettbewerb heute Kompressionsstrümpfe trage, die für einen Rennradfahrer aber offensichtlich als überhaupt nicht zünftig gelten – man sieht ja so nicht die stramme Wadenmuskulatur – fange ich mir diesbezüglich einen Kommentar von Hendrik ein. Zugegebenermaßen, die schwarzen, die ich bei Ute günstig in der Apotheke bekommen habe, sind vom Outfit nicht der Renner bzw. im O-Ton von Hendrik „unerotisch“, aber sie erfüllen ihren Zweck. Ich habe mich aber schon mal umgeschaut. Wenn man unbedingt welche tragen will, dann gibt es auch farblich passende zum Rennrad. In Beiersdorf stoßen dann die Fahrer der 75 km Strecke wieder zu uns. Es sind ja auf beiden Strecken nicht nur Rennradfahrer unterwegs. Einige fahren mit ihren schweren Mountainbikes ein forsches Tempo und schwimmen in unserer Gruppe mit. Und ein Fahrer mit Singlespeed-Rad, also nur einem Gang, ist im selben Tempo wie wir unterwegs.
Nur bergab komme ich an ihn heran. In Naunhof dann große Ernüchterung. Es gibt überhaupt nichts mehr an Verpflegung, nicht mal simples Wasser. Das darf nicht passieren, hier hängt die Organisation aber gewaltig. Wir machen trotzdem eine kleine Pause und sind uns einig, sobald wir auf der weiteren Strecke einen Eisladen sehen, dann ist der unser. Leider soll uns dieses Glück aber bis ins Ziel nicht wiederfahren. Kurz vor dem Völkerschlachtdenkmal stoßen dann auch die Teilnehmer der 23 km Strecke dazu. Eine riesige Armada von Radlern im blauen Fahrradfestshirt. Darunter viele selbst fahrende Kinder und solche, die von ihren Eltern im Fahrradanhänger über den Parcour bewegt werden. Und wie es der Zufall will, passiert Ute mit ihren Kindern und Enkeln fast zeitgleich mit uns die Ziellinie. Es gibt für jeden eine Finisher-Medaille und dann begeben wir uns auf kurzem Weg auf die Liegewiese nahe des Freisitzes am Parkrestaurant, wo es Bierausschank und Grillangebot gibt.
Das kühle Bier ist ein Labsal und das erste verdampft so quasi auf dem Weg in den Magen. Dass man auf einem Bein nicht stehen kann, diese Binsenwahrheit wird heute wieder mal all zu deutlich. Zum Glück mangelt es nicht an Nachschub. Dann kommt auch noch der Hunger, da helfen die Bratwürste. Es ist nach wie vor tolles Wetter und die Runde auf der Wiese ein krönender Abschluss dieses schönen Tages. Und obwohl sich das ganze Areal schon merklich geleert hat, spielt die Band unverdrossen einen Titel nach dem anderen. Mittlerweile merke ich nun doch, vor allem wenn es aus der ebenerdigen Sitzposition nach oben geht, dass ich zwei harte Tage hinter mir habe. Aber wie singt Udo im Titel „Mein Body und ich“ auf seiner neuen CD: „Doch was uns nicht killt, das macht uns extrahart!“
Viele Grüße Euer Andreas
Bilderstrecke:
[justified_image_grid ng_gallery=32]