Mein Plan war ursprünglich ein anderer, nämlich mit einer Abordnung der LVB-Laufgruppe nach Wien zu fahren und dort ein verlängertes Wochenende mit integriertem Marathon zu verbringen. Dann gab es Kuddelmuddel mit meiner ambulanten Reha. Spielen ausgefallene Tage bei der Gewährung einer Anschluss-Reha eine Rolle, ja oder nein? Ich entschied mich dann doch für die sichere Variante und verzichtete, um nichts zu riskieren, auf Wien. Den hatte ich zwar schon 1991 und 2012 unter die Beine genommen, ihn aber noch mal in der Gruppe zu laufen, wäre aber dennoch sehr schön gewesen. Plan B hatte ich noch nicht. Ein Marathon musste aber für das Wochenende schon her, möglichst in akzeptabler Entfernung. Hannover hatte ich schon im vergangenen Jahr abgehakt. Kyffhäuser wäre eine Möglichkeit gewesen, Lust auf Berg hatte ich aber nicht. Und so kam ich dann an der dritt ältesten Marathonveranstaltung Deutschlands, dem Göltzschtal-Marathon, nicht mehr vorbei:
Göltzschtal-Marathon 2016 Landesmeisterschaft im Straßenlauf
Das Vogtland erleben!
Dank der neuen A72 von Leipzig nach Chemnitz weist das Navi eine Anreisezeit von lediglich 75 Minuten aus, also sozusagen eine Veranstaltung fast um die Ecke. Für mich nach bisher sechs Starts im Zeitraum 1983 bis 1997 und einer Streckenbestzeit von 3:08:00 h kein unbekannter Marathon. Seit ein paar Jahren gibt es eine neue Streckenführung auf einem Radweg, der auf einer stillgelegten Bahnstrecke angelegt wurde – ein guter Grund den Lauf nach 19 Jahren wieder mal anzugehen. Der vom Veranstalter als „leicht hügelig“ beschriebene Kurs besteht, wie früher auch, aus einer zwei mal zu laufenden Pendelstrecke. Die Wetterprognose sieht gut aus: um zehn am Start 6 und am Nachmittag maximal 10 Grad bei leichter Bewölkung.
Halb acht setze ich mich am 9. April ins Auto und habe kurz vor neun schon die Meldung erledigt. 30 + 5 € für Nachmelder am Veranstaltungstag, das ist okay. Die Startnummer wird frisch ausgedruckt, sodass trotz Nachmeldung auch der Vorname mit drauf steht. Die ganze Veranstaltung umfasst mit der Landesmeisterschaft im Straßenlauf über 5 und 10 km, Halbmarathon, Marathon, sowie Nordic Walking über 10 und 21 km ein umfangreiches Programm. Und leider Gottes unterliegt auch diese traditionsreiche Veranstaltung dem allgemeinen Trend: Die wirklichen Marathonis werden immer weniger, es gibt eine erhebliche Tendenz zu halben Sachen.
Der Marathon startet als erste aller Laufstrecken punkt um zehn mit einem recht überschaubaren Feld. Ich versuche meinen Rhythmus zu finden, der Blick zur Uhr ist erstmal tabu. Erst nach 5 km schaue ich mal, mit den 26:30 Minuten bin ich ganz zufrieden. Es läuft sehr gut und gleichmäßig. Der erst asphaltierte Belag wechselt sich dann mit einem aus Split und Schotter ab, aber alles sehr gut zu laufen. Nach dem es nach dem Start eine Weile an der Straße entlang gegangen ist, punktet der Kurs dann mit Natur pur. Ungefähr auf der Hälfte der Strecke kommen dann die leichten Hügel, jetzt kein Problem, aber vielleicht dann später doch. Was man auf der Hinstrecke gar nicht so bemerkt ist, dass der in Fließrichtung der Göltzsch verlaufende Kurs bis zur Wende kurz vor Mylau tatsächlich immer ganz leicht und allmählich abwärts geht. Das fällt erst richtig auf, als es zurück geht. Da läuft es sich dann auf einmal gar nicht mehr so flüssig, da muss man schon richtig etwas tun. Eins bringt das recht kleine Teilnehmerfeld natürlich mit sich, man ist überwiegend sehr einsam unterwegs. So bei km 15 steht dann aber zur Abwechslung eine große Wandergruppe an der Strecke und bildet für die Marathonis Spalier. Ja und wie kann es auch nicht anders sein: Mitten drin unser Laufgruppenchef a. D. Wolfgang Buchwald, der mir mit einer Flasche Bier in der Hand zuprostet.
Als ich dann so kurz vor Halbmarathon in meine Beine fühle, überkommt mich das recht ungute Gefühl, dass der zweite Rückweg etwas hart werden könnte. Die „halbe Miete“ passiere ich bei 1:51:30 h, das wird wohl beim zweiten Teilstück nicht zu wiederholen sein. Aber jetzt geht es erstmal zurück nach Mylau. Ich laufe meinen Stiefel, nehme in Erwartung dessen, dass es noch schwer werden könnte, das Tempo nicht zurück. Mittlerweile ist zum Teil ein ganz schönes Getümmel auf der Strecke. Aber Walker und Läufer aller Strecken kommen sich nicht ins Gehege. Einen Vorteil hat eine Pendelstrecke natürlich unzweifelhaft, man hat immer einen guten Überblick über das was vor und hinter einem passiert. Und so kann ich dann auch vor der zweiten Wende sehen, dass der Einzige von den vor mir laufenden, der wahrscheinlich meiner Alterklasse zuzuordnen ist, doch einen recht erheblichen Vorsprung hat. Und auch die erste Frau ist mit einigen Abstand vor mir straff unterwegs. Aber da solche Konstellationen ja auch beflügeln können und ich auf dem Weg vom Stadion nach Mylau eine gute Stunde Zeit hatte, mich mental auf den Rückweg einzustellen, komme ich auf einmal überraschend gut zurecht damit. Es läuft wider erwarten schön gleichmäßig, sodass ich den Führenden der M60, Vinzenz Brendler aus Pirna, bei km 38 recht mühelos passieren kann. Er hat wohl die Tücke des Rückweges etwas unterschätzt. Nicht ganz so einfach geht das bei der ersten Frau. Sandra Otto von der TSG Markkleeberg ist wirklich sehr gleichmäßig und zügig unterwegs, sodass ich nur mit sehr viel Mühe erst kurz vor dem Ziel an sie heran laufen kann. Nach dem ich auf dem letzten leicht bergan verlaufenden Kilometer noch mal richtig knietschen muss, geht es anschließend zur Belohnung ein Stück bergab und dann auf der Aschenbahn ohne Ehrenrunde nach 3:44:25 h direkt ins Ziel. Die zweite Hälfte war damit nur knapp 1½ Minuten langsamer, das hätte ich so nicht erwartet.
Und da uns die schon den ganzen Tag präsente Sonne auch jetzt nicht im Stich lässt, geht das umfangreiche Programm der Siegerehrungen bei Kaiserwetter über die Bühne. Die Versorgung ist auch gesichert, sodass sich bei mir nach zwei Bratwürsten und zwei Flaschen Wernes-grüner Bier ein sehr wohliges Gefühl einstellt. Die Siegerehrung wird von Gesamtleiter Reiner Milek durchgeführt.
Für die Erstplatzierten gibt’s Pokal nebst dekorativer Medaille. Dann versuche ich noch durch etwas Wartezeit die fühlbare Wirkung des Alkohols zu verringern und starte dann den Rückweg.
Andreas Gelhaar
LVB-Laufgruppe