Eigentlich sollte ich ja ganz still sein und es für mich behalten, aber obwohl ich schon auf anderen Kontinenten Marathon gelaufen bin, war ich in meinem nun bald 40jährigen Läuferleben noch nie zum Kernberglauf. Es wurde also allerhöchste Eisenbahn diesen weißen Punkt mal zu tilgen.
Da Helge schon zum Kienberglauf sein Vorhaben hatte verlauten lassen nach Jena zu fahren, war es damit recht einfach für mich sich anzuschließen. Fraglich wurde es nur eine Woche zuvor, als mich ein vereiterter Zahn massiv quälte. Dank Antibiotika war dann aber alles wieder im Lot, sodass einer Teilnahme nichts mehr im Wege stand.
Der Wettergott ist in diesem Jahr bis kurz vor dem Start nicht so sehr auf der Seite des Veranstalters. Schon beim Augen aufschlagen am Sonnabend morgen läuft eigentlich alles auf liegen bleiben hinaus. Es schifft, wie die vergangenen Tage auch, in Strömen. Das hält dann auch noch die ganze Fahrt bis Jena an und hört erst auf, als wir das Auto abstellen. Na ja, das würde ja reichen, wenn es so bleibt.
Meine Nachmeldung läuft wie am Schnürchen und an dem Gesamtpreis von 12 € plus 3 € Nachmeldegebühr für eine 27 km (!) lange Strecke sollte sich manch anderer Veranstalter mal ein Beispiel nehmen. Zum Beispiel der des Laufs um den Markkleeberger See, bei dem für 9 km im Normaltarif stolze 13 € zu berappen sind. Die Bedingungen für die Durchführung einer Laufveranstaltung sind im Universitätssportzentrum Jena bestens, es mangelt an nichts. Obwohl durch die Länge der Strecke ein Einlaufen nicht zwingend erforderlich ist, machen wir es doch. Helges meckernde Kniekehle und mein am Anfang immer schmerzendes linkes Schienbein lassen das als sinnvoll erscheinen. Da der ganze Läuferpulk gleich nach dem Start die B 88 überqueren muss, kann es erst dann los gehen, wenn die Polizei alle Autos zum Stehen gebracht hat und grünes Licht gibt. Es geht daher mit einer kleinen Verzögerung erst kurz nach elf los.
Das Läuferfeld ist stattlich, es starten alle Teilstrecken zusammen. Es geht zunächst 2 km lang auf recht flacher Strecke, dann aber wird es ernst. Es gilt jetzt die Höhenmeter bis zum Kernbergplateau zu bewältigen. Und das sieht im Höhenprofil schon nicht ohne aus und ist es auch nicht. Wenn man schon hier zu viel des Guten will, dann kann es hinten heraus ungemütlich werden. Helge ist schon kurz nach dem Start nicht mehr in Sichtweite, aber das kenne ich ja schon. Ich versuche meinen Rhythmus zu finden und halte mich zurück, hier muss man noch nichts beweisen.
Nach ca. 5 km zweigt die 15 km-Strecke ab und wir stehen vor einem hammersteilen Anstieg. Laufschritt ist hier nicht sinnvoll, das ist zumindest die Erfahrung vom Rennsteig. Und die bewahrheitet sich auch hier. Alle die es doch laufenderweise tun sind nur unwesentlich schneller, als die sich für gehen entschieden haben. Und letztere sparen noch Sprit dabei. Oben angekommen kann man an der ersten Verpflegungsstelle das Flüssigkeitsdefizit ausgleichen. Ab jetzt wird der Weg sehr schmal. Es geht auf den sogenannten Horizontalwegen, die alle eigene Namen, wie z. B. Johannisberghorizontale und Kluge-Horizontale haben, an den Steilhängen der die Stadt Jena umgebenden Muschelkalkhänge entlang. Ein Überholen ist hier fast durchweg nicht möglich. Falscher Ehrgeiz wäre, da gefährlich, wirklich fehl am Platz. Aber das ist auch nicht nötig, da der vor mir laufende Pulk gut unterwegs ist und einzelne Läufer, die nicht mehr mitschwimmen können, den Weg frei machen. Durch den sehr abwechslungsreichen Kurs mit vielen Kurven und häufigen Auf und Ab fliegen die km nur so dahin. Man hat einen Superblick nach Jena hinunter und in den ganzen Talkessel. Allerdings so viel hat man auch nicht davon, denn es ist angeraten vor seine Füße zu schauen. Bisher halten sich die Auswirkungen des vielen Regens in Bezug auf das Geläuf zwar erfreulicherweise in Grenzen, aber auch ohne Nässe ist hier generell Vorsicht geboten. Vor mir läuft Siegfried Miosga aus Jena, der heute seinen 25. Kernberglauf bestreitet und der, wie wir sofort abgleichen, meine Altersklasse ist. Er ist gut unterwegs, das wird wohl schwer werden ihn hinter mich zu bringen. Mittlerweile habe ich mich aber auch gut eingelaufen und es könnte noch ein Stück schneller gehen. Einfach schon aus dem Grund, da ich ja doch gerne Helge noch holen würde. Ab ca. km 15 geht es dann auf einem gut zu laufenden Forstweg ohne nennenswerte Höhenmeter durch den Wald. Jetzt kann ich, wie Uwe zu sagen pflegt, etwas Gas geben. Die anderen aus meinem Pulk sind alsbald hinter mir und ich kann weit nach vorn schauen ohne dass da jemand ist, auch nicht Helge. Oh je, das wird wohl schwer werden.
Es geht wieder auf einer Horizontalen ca. 3 km auf schmalem Pfad durch einen imposanten Buchenwald. Der überwiegend leicht abschüssige Weg läuft sich sehr gut und ich kann auf die vor mir laufenden aufschließen. Es geht ein letztes mal ein kurzes Stück ganz steil nach unten, da ist noch mal Konzentration gefragt. Und als ich dann die Fußgängerbrücke über die vierspurige Schnellstraße passiert habe, sehe ich endlich die bekannte Laufweste vor mir, allerdings doch ein ganzes Stück weit weg. Aber die noch verbleibenden 3 km sollten dafür reichen. Nach einem straffen km bin ich dann soweit heran, dass ich das Tempo etwas herausnehmen kann. Man hat ja auch schon etwas in den Beinen. Und nach 26 km kann ich Helge dann auf die Schulter klopfen. Das weitere handhaben wir dann wie zum Kienberglauf und laufen zeitgleich nach 2:26:55 h über die Ziellinie. Mit der Zeit, die für Helge einen Platz 6 in der M55 und für mich den 2. Platz in der M60 bedeutet, sind wir übereinstimmend sehr zufrieden.
Die Siegerehrung geht zügig über die Bühne, sodass wir nach Suppe, Bratwurst und einem alkoholfreiem Bier gegen drei zur Rückfahrt starten.
Bis zum nächsten Lauf
Euer Andreas